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Zeuge

nach Befragung bedroht

Angeklagter im Betrugsprozess um den Plauer Tierschutzverein wäre an diesem Verhandlungstag beinahe festgenommen worden

§ GERICHTSREPORT

Von Armin Kung

PlauSCHWERIN/PLAU AM SEE Da stehen sie sich gegenüber, die zwei Männer, im langen Flur des Gerichtsgebäudes. Der eine hochgewachsen und im Jackett. Der andere kleiner und in Arbeitshose. Vor einer Sekunde stürmte der Mann im Jackett aus dem Saal. Er blieb stehen, sein Kopf wurde rot und ging nah an den Kleineren ran. Er brüllte, dass er „keine Lügen verbreiten solle, sonst lerne er ihn richtig kennen“. Der Kopf des kleinen Mannes errötete ebenfalls wie eine Tomate. Seine Körperhaltung gebückt. Das Gesicht gesenkt, nur die Augen haben Kraft, nach oben zu schauen. Er nuschelt leise, dass er dieWahrheit gesagt habe.Da ist der Mann im Jackett bereits einen Schritt entfernt, auf dem Weg zu seinem Auto vor dem Landgericht Schwerin. Diese Szene spielte sich am vorletzten Verhandlungstag zum Plauer Tierschutzvereinsprozess ab. Der Mann im Jackett war Achim J., der Angeklagte. Der Kleinere war ein Zeuge,der über verschwundenes Bargeld aussagen sollte. Der Ausraster hätte Achim J. fast hinter Gitter gebracht, obwohl der Richter auch diesmal kein Urteil sprach. Der Vorwurf machte sogar den Verteidiger von J. sprachlos: Einschüchterung von Zeugen, juristisch: Verdunklungsgefahr.„ Beisoetwas verstehe ich keinen Spaß“, sagte Richter Thomas Dickmann zum Angeklagten. „Ich bin auf Zeugenaussagen angewiesen, jede Verdunkelung gefährdet dieses Verfahren.“

Der sonst so wortreiche Angeklagte wird leise, als der Richter erklärt, dass er normalerweise nach solch einer Tat in Haft kommen würde, um Zeugen zu schützen. Aber J. hat Glück. Denn der eingeschüchterteZeugehattebereitsausgesagt, sogar zweimal. Das bedrohliche Gespräch fand erst nach der Zeugenaussage statt. „Ich betone, dass Sie nur Glück haben und ich die Aussage des Zeugen bereits habe. Sonst wären Sie umgehend hinter Gittern“, sagt der Richter. Es ist eine Situation, so typisch für dieses Verfahren. Das verschwundene Geld des Plauer Tierschutzvereins versteckt sich hartnäckig hinter einem unübersichtlichen Prozess: Quittungen fehlen, Zeugen sagen verschwommen aus oder erscheinen erst gar nicht. Akten und Informationen gelangten manchmal auf Zuruf aus dem Publikum in den Prozess. Auch diesmal landet ein Schriftstück auf dem Richtertisch, das nicht von Staatsanwältin oder Verteidiger kam. Die ehemalige Zeugin Uta Kaßler reichte einen Brief ein, auf dem Namen und Telefonnummern von Vereinen aus Westdeutschland stehen.DieseMenschenhätten die SVZ-Gerichtsreporte gelesen und meldeten sich in Plau am See. Der Inhalt ist brisant: Die aufgelisteten Vereine werfen dem Angeklagten Achim J. vor, dass er seine Betrugsmasche bereits in mehreren Städten durchgezogen habe, nicht nur in Plau. Richter Dickmann nahm das Schreiben zu Protokoll. Ob der Inhalt in der Endphase des Prozesses noch eine Rolle spielen wird, ist ungewiss. Doch damit waren die Merkwürdigkeiten nicht am Ende. Ein geladener Zeuge erschien nicht. Richter Dickmann griff während des Verfahrens zum Telefon, stellte es auf laut, so dass alle Prozessbeteiligten und Beobachter mithören konnten. Er telefonierte mit der ehemaligen Betreuerin des Zeugenundfragtesienachdessen Aufenthalt. Dieser war nicht das erste Mal geladen. Bei der vergangenen Verhandlung saß er bereits auf dem Zeugenstuhlundkündigtean, demGericht noch weitere Belege zur Verfügung zustellen. Aber die Betreuerin wiegelte ab. Der Mann sei kaum in der Lage, seine Wohnung aufzuräumen, für die Quittungen sehe sie schwarz. Staatsanwältin und Richter bestehen aber auf dessen Erscheinen. Dickmann ordnete eine Vorführung für den Zeugen an, also das Herbeischaffen eines Prozessbeteiligten im Polizeitaxi.

Nur einen Lichtpunkt gab es am Horizont: Das Gericht scheint Ende Mai ein Urteil fällen zu wollen.

Quelle: SVZ