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Horror-Angriff

beim Gassigehen:

HorrorAngriff2HorrorAngriff1Ab wann gilt ein Hund als gefährlich?

Von Carina Göls

Das war die Hölle. Aus dem ersehnten Toben und Gassigehen mit Herrchen wäre fast das sichere Ende der sechsjährigen Hündin aus Malchow geworden, als ein aggressiver Hund auf sie zurannte und zubiss. Eine immer wieder müde aufflammende Debatte um die „gefährlichen Hunde“ ist neu entbrannt.

MALCHOW/SCHWERIN. Sie hat überlebt. Doch es wird dauern, bis die tiefen Wunden verheilt sind. Und gewiss haben sich diese schrecklichen Minuten tief in die Hundeseele gegraben. Die Sekunden, als aus dem unbeschwerten Gassigehen ein Todeskampf wurde. „Der andere Hund kam auf meine Hündin zugerannt. Sie hat sich hingeworfen und ergeben, aber es nützte nichts. Der andere wog wohl etwa 40 Kilo. Und ich hörte nur noch meine Lucky schreien und das Geräusch, wie ihr Fell aufriss. Das war Horror, und man registriert gar nicht, was noch alles hätte passieren können“, erzählt der Hundehalter aus Malchow, der anonym bleiben möchte. Er habe versucht, sein Tier zu schützen. Der Besitzer des attackierenden Hundes habe schließlich seinen Rüden bezwungen. „Lucky lag leblos im Blut, nahezu zerfetzt“, erzählt ihr Herrchen, das bis nach Waren/Müritz zum Tierarzt musste, um die schweren Verletzungen behandeln zu lassen. Große Wunden über den Rücken, mit zahlreichen Stichen genäht, zeigten, wie stark der andere Hund sie verletzt hatte. Der Besitzer des Angreifers habe noch einen Hund und sei in der Stadt nicht unbekannt. Er gelte aber als „ganz gut zu seinen Tieren“, soll den Angreifer aus einer Kampfhunde-Bande zu sich geholt haben.

Dennoch: Inzwischen hat sich die Beißattacke in der Kleinstadt Malchow herumgesprochen. Es soll nach Nordkurier-Informationen ein American Staffordshire Terrier, vielleicht auch Mix sein. Demnach würde es sich um einen sogenannten „Listenhund“ handeln, der zu den „gefährlichen Rassen“ zählt. Immer wieder flammt im Land nach solchen Attacken die Debatte um diese Hunde auf.

Doch was sind das nun – gefährliche Hunde? Dabei ist häufig von bestimmten Rassen die Rede, zum Beispiel von Pit-Bull, American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Tosa Inu, Bullmastiff, Dogo Argentino, Fila Brasileiro, Mastin Espannol, Mastino Napoletano und Mastiff. Diese Hunderassen sind bislang als besonders gefährlich gebrandmarkt. Sie werden pauschal als Kampfhunde bezeichnet, so, als hätten sie eine angeborene Beißlust.

In Mecklenburg-Vorpommern ist das Thema – wie in anderen Bundesländern – geregelt; in einer Verordnung. Dort heißt es: „Nur Halter gefährlicher Hunde, also Listenhunde oder auffällig gewordene Tiere, müssen ihre ‚Sachkunde‘ unter Beweis stellen.“ In MV stehen American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier, Bullterrier sowie jegliche Kreuzungen dieser Rasse laut Angaben aus dem Ministerium auf dem Index. Als „gefährliche Hunde“ im Sinne der Verordnung gelten auch: Alle Hunde, bei denen rasseunspezifisch aufgrund ihres Verhaltens eine Gefährlichkeit im Einzelfall festgestellt worden ist. Das Halten und Führen von gefährlichen Hunden ist nur mit Erlaubnis der Behörde möglich. Listen-Kritiker nehmen Besitzer ins Visier Kritiker dieser „Listen“ mahnen zum Überdenken solcher Kategorisierungen. Diese in unseren Breiten als gefährlich geltenden Hunderassen seien nicht von sich aus böse oder bissig, sie würden von manchen Menschen so erzogen. In England oder den USA seien viele dieser „Listenhunde“ als Familienhunde beliebt oder als Krankenpflegehunde, Rettungshunde, Blindenhunde in Aktion. Und kräftig zubeißen könne auch ein Deutscher Schäferhund. Das belegten Statistiken.

Bei den Hundebesitzern und damit gleichzeitig bei der Erziehung der Tiere anzusetzen, verspreche sinnvoller zu sein. Vielmehr sollte über Hundeführerscheine für die Halter nachgedacht werden, und zwar für alle, so wie es in Niedersachsen seit 2013 vorgeschrieben ist, so die Vorschläge aus den Reihen der Listenhund-Gegner. Im Innenministerium von MV gibt es solche Überlegungen nach Angaben von Sprecherin Marion Schlender noch nicht und auch keine komplexe Übersicht über Verstöße gegen die Hundehalterverordnung. Die aktuelle Verordnung vom 4. Juli 2000 werde im Sommer des nächsten Jahres außer Kraft gesetzt und überarbeitet werden. Warum und in welche Richtung das geht, wusste die Sprecherin nicht. Nach Angaben aus den Ordnungsämtern seien in den vergangenen fünf Jahren zwischen einem und drei Haltern der „Listenhunde“ die Tiere weggenommen wurden.

Ob das auch in dem aktuellen Malchower Fall eintreten könnte, steht noch nicht fest. Für die Polizei ist die Sache klar: fahrlässige Körperverletzung, den Luckys Herrchen sei auch gebissen worden. Eine Anzeige sei aufgenommen worden. Der Fall lande nun beim Staatsanwalt. Der entscheide, ob es eine Gerichtsverhandlung geben wird oder nicht. Da die beiden beteiligten Hundehalter keine Strafanzeigen gestellt hätten, sei es fraglich, ob es dazu käme. Wie die Neubrandenburger Polizeisprecherin Diana Mehlberg weiter informierte, sei das Ganze vor allem Sache des städtischen Ordnungsamtes. „Dass Malchower in Sorge darüber sind, dass der Angreifer-Hund möglicherweise andere Hunde oder gar kleine Kinder angreift, das ist verständlich. Dennoch müssen die behördlichen Wege eingehalten werden.“ Und die könnten durchaus auch zum Veterinäramt führen. Wenn jemand meint, dass die Haltungsumstände des Tieres beispielsweise kontrolliert werden sollten, der Besitzer dem Tier nicht gewachsen sei, oder dass es dem Tier nicht gut geht und Gefahr von ihm ausgehe, der könne sich an sein zuständiges Veterinäramt wenden. Von dort verweist Amtschef Guntram Wagner den Nordkurier, ohne weitere Informationen zu dem aktuellen Fall zu geben, „in das örtliche Ordnungsamt“.

Das hat den Fall nach Auskunft von Malchows Bürgermeister René Putzar (parteilos) auf dem Tisch. „Nach unseren Informationen hat die Polizei eine Anzeige aufgenommen. Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, kann ich vorerst nichts weiter dazu sagen“, so der Stadtchef. Er könne den betroffenen Hundehalter gut verstehen und auch all jene in seiner Stadt, die sich unsicher fühlen, wenn so etwas geschieht, oder auch, wenn immer wieder unangeleinte Hunde unterwegs seien.

HorrorAngriff3Angreifer soll weiter ohne Leine herumlaufen
Zumal, wie es aus der Inselstadt zu erfahren war, auch fast drei Wochen nach dem Vorfall „nichts geschehen“ sei. Der Hund würde nach wie vor ungehindert ohne Leine herumlaufen. „Und das kann nicht sein“, meint der Malchower, der Angst um seine Hündin hatte, noch viele Male zum Tierarzt und das Leid seines Tieres erleben muss. Zudem sei er selbst gebissen worden, er musste krankgeschrieben werden.

Inzwischen hat sich Lucky etwas berappelt. Dabei hatte sie dem Tod schon mal ins Auge geblickt auf ihrem Leidensweg in Ungarn. Von einer dortigen Tötungsstation hatte ihr Besitzer sie vor einigen Jahren nach Malchow geholt. Mit den Wunden habe sie immer noch zu kämpfen. „Sie bekommt etwas gegen die Schmerzen und tut sich schwerer als sonst, spazieren zu gehen. Aber sie ist tapfer,“ sagt ihr Herrchen und hofft, „dass anderen in der Stadt so ein Schicksal durch das Handeln aller Verantwortlichen erspart bleiben kann“.

Quelle: Nordkurier Kontakt zur Autorin Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!