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Gefangener Kangal im Tierheim

Dorf Mecklenburg: Das passiert jetzt mit Hündin „Bea“

KangalGrevesmühlen/Dorf Mecklenburg. Aus großen braunen Augen blickt „Bea“ durch die Gitterstäbe zu den Menschen, die vor dem Zwinger im Tierheim Dorf Mecklenburg stehen. Steve Soost öffnet langsam die Tür und geht hinein zu dem stattlichen Tier, das vorsichtig den Kopf hebt. Der Unternehmer aus Wotenitz, der als Hundefänger für die Stadt Grevesmühlen im Einsatz ist, hockt sich neben die Hündin und greift in das hellbraune Fell. „Bea“, so wurde der Kangal im Tierheim jetzt getauft, drückt seinen Kopf gegen die Hand des jungen Mannes. Es ist nicht zu übersehen: Sie genießt den Kontakt, zwischendurch blickt sie immer wieder zu den Frauen, die vor dem Zwinger stehen.

„Sie war gleich total friedlich“
„Sie ist auf jeden Fall sozialisiert“, sagt Meike Gutzmann, ehrenamtliche Vorsitzende des Tierschutzvereins Wismar und Umgebung. „Sie ist vorsichtig, vielleicht hat sie schlechte Erfahrungen gemacht“, fügt Doreen Kuhn, ehrenamtliche Leiterin des Tierheims, hinzu. „Auf jeden Fall sind wir froh, dass sie jetzt bei uns ist.“ Denn die vergangenen Wochen waren alles andere als einfach. „Bea“ jedenfalls scheint sich wohlzufühlen in ihrem neuen Zuhause. Am Sonntagnachmittag war sie bei Bernstorf in die Falle gegangen, die die Tierschützer zusammen mit Steve Soost dort vor zwei Wochen aufgestellt hatten. „Es war echt überraschend, wie sie auf uns reagiert hat. Wir wussten ja nicht, was sie macht, wenn die Falle zuschnappt“, berichtet der Hundefänger. „Aber sie war von Beginn an total zutraulich, als wenn sie darauf gewartet hat, dass sich jemand um sie kümmert.“ Kurz darauf war sie im Zwinger in Dorf Mecklenburg, am Montag wurde sie dort von einer Tierärztin untersucht.
Kangal2Erste Sichtungen im Klützer Winkel
Vor mehr als sechs Wochen begann die Geschichte um den Streuner. Wie Doreen Kuhn berichtet, sei die Hündin im Juli im Klützer Winkel aufgetaucht. Dort ist Unternehmer Jens Deutsch als Hundefänger für das Amt im Einsatz, der sich zusammen mit den Tierschützern auf die Suche nach dem Kangal machte. Doch an ein Einfangen war zu diesem Zeitpunkt nicht zu denken. „Wir haben dann Ende Juli die erste Meldung an die Öffentlichkeit gegeben, dass Sichtungen an die Polizei oder das Tierheim zu geben sind“, berichtet Doreen Kuhn.
Jagd mit Autos auf den Streuner
Was dann passierte, damit hatte jedoch niemand gerechnet. Immer wieder posteten Leute Sichtungen der Hündin in den sozialen Medien, was dazu führte, dass Privatleute regelrecht „Jagd“ auf das Tier machten, um selbst Fotos zu machen. Sogar mit dem Auto soll der Hund verfolgt worden sein. Für die Arbeit der Tierschützer eine Katastrophe. „Die Leute denken, da ist jetzt ein Hund, wir rufen an und dann haben die Tierschützer ihn in fünf Minuten eingefangen. Aber so funktioniert das nicht“, erklärt Meike Gutzmann. Stattdessen gehe es darum, Vertrauen aufzubauen, das Tier anzulocken und dann mit den richtigen Mitteln zum richtigen Zeitpunkt vor Ort zu sein. Hundefänger Steve Soost hatte sich der Hündin mit einer Schlinge einmal bis auf wenige Meter genährt. „Aber dann hat sie sich erschreckt und lief weg.“ Zusammen mit Doreen Kuhn und Meike Gutzmann wurde dann eine Strategie entwickelt, um „Bea“ so schonend wie möglich einzufangen.
Kangal3Falle mit Kameras eingerichtet
In der Nähe von Bernstorf wurden Futterstellen eingerichtet, die mit Kameras überwacht wurden. Vor vier Wochen ging das los. Als klar war, dass die Hündin regelmäßig zu diesen Futterstellen zurückkehrte, wurde die Falle aufgestellt. Allerdings geöffnet und ohne sie scharfzustellen, wie Steve Soost erklärt. Erst nach einigen Tagen wurde der Auslösemechanismus aktiviert. Was im ersten Versuch jedoch misslang. „Eine Spaziergängerin hat uns berichtet, wie die Hündin über den zwei Meter hohen Zaun geklettert und verschwunden ist.“ Dennoch blieben die Tierschützer bei ihrer Strategie. Am Sonntagnachmittag dann, die Falle war inzwischen auch angepasst worden, landete „Bea“ darin.
Streuner ernährte sich von Katzenfutter
Ernährt hat sich die Hündin in der Freiheit vor allem von Katzenfutter, das in den Dörfern oft draußen steht. Auch bei Landwirtschaftsbetrieben wurde sie gesehen, wo sie nach Fressbarem suchte. Bis zu 70 Kilometer pro Tag, das ergab die Auswertung der Sichtungen, legte das Tier zurück. Dabei blieb die Hündin aber immer im Bereich Bernstorf beziehungsweise kehrte dahin zurück. Woher „Bea“ tatsächlich stammt, ist immer noch unklar. Zwar besitzt sie in einen Chip, aber der muss erst einmal ausgewertet werden. „Und wenn der Besitzer sie nicht angemeldet hat, was leider immer noch nicht gesetzlich verpflichtend ist, dann sind wir auch nicht viel schlauer.“ Laut Steve Soost seien in Norddeutschland aktuell drei solcher Herdenschutzhunde als vermisst gemeldet. „Das ist zwar ein großer Radius, aber wir haben gesehen, wie viele Kilometer sie am Tag geschafft hat. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn ihr Zuhause ein paar hundert Kilometer entfernt ist.“
Vorerst bleibt sie im Tierheim in Dorf Mecklenburg, sie erhält mehrere Kuren, wird gründlich untersucht und aufgepäppelt. Noch wird sie nicht vermittelt, erst müssen die Umstände geklärt und die Untersuchungen abgeschlossen sein. „Es braucht sich niemand hier zu melden“, betont Meike Gutzmann. „Wir melden uns, wenn es etwas Neues gibt.“

Quelle: Ostseezeitung