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Von Gassigehern

und Katzenstreichlern

KatzenstreichlerVon Katharina Ahlers

Schlage. Aufgeregt springt Airedale- Terrier-Mischling „Enno“ gegen die Gitterstäbe seines Zwingers im Tierheim Schlage. Der Rüde kann es kaum erwarten: An der Tür steht Verena Wollschläger, um ihn zum Spaziergang abzuholen und ihm die Aufmerksamkeit zu schenken, für die im Tierheim nicht immer genug Zeit ist. Etwa 40 Hunde sind hier untergebracht. „Unsere ehrenamtlichen Gassigeher nehmen uns viel Arbeit ab“, sagt Angelika Streubel, Vorsitzende des Rostocker Tierschutzvereins. „Wenn sie spazieren gehen, können wir in der Zeit andere Dinge erledigen.“HelfenBringtFreude2

20 Ehrenamtler helfen aktuell beim Tierheim aus. Zu ihnen gehört auch Verena Wollschläger. Die ehrenamtliche Arbeit bezeichnet sie als großes Privileg. „Wir können uns die Hunde aussuchen und uns Zeit nehmen“, erklärt die 38-Jährige. Die Tierpfleger hätten diese Zeit nicht. Sie müssen dafür sorgen, dass alle rauskommen, zu fressen haben, sauber sind. „Zu uns ehrenamtlichen Helfern haben die Tiere ein anderes Verhältnis. Wir sind die, die immer Spaziergänge machen, immer Leckerlis haben.“ Wollschläger hat „Enno“, mit dem sie gern Fahrrad fährt, ins Herz geschlossen. „Er ist sehr wild und braucht einen Besitzer, der damit umgehen kann.“

Jeder Gassigeher muss zuvor einen Lehrgang im Tierheim absolvieren, bei dem der Umgang mit den Hunden geschult wird. „Viele denken, die Hunde sind superdankbar, wenn man mit ihnen spazieren geht, und zeigen das auch. Es ist aber nicht so, dass sie hier superzufrieden sind“ weiß Gassigeherin Marisa Wirth. „Die Tiere haben natürlich Stress und möchten hier raus.“ Darauf müsse man eingestellt sein. Genauso sei es wichtig, mit dem Leid der Tiere umgehen zu können und die Schicksale nicht zu nah an sich heranzulassen. „Wenn man mit einem Hund rausgeht, lässt man die anderen zurück. Und wenn man mit seinem Hund zurückkommt, ist der oft traurig, dass er wieder alleingelassen wird. Das ertragen viele nicht und kommen dann nicht mehr. Aber damit machen sie die Situation noch schlimmer“, sagt Wirth.

Die beiden Ehrenamtler versuchen, einmal pro Woche, meist am Wochenende, vorbeizukommen. „Unser oberstes Ziel ist, dass jeder Hund einmal am Tag rauskommt“, sagt Wollschläger. Gerade an Tagen, an denen nur wenige Gassigeher vor Ort sind, fallen die Spaziergänge daher kürzer aus, um die Zeit auf alle Tiere aufzuteilen. „Wenn ich zwei Stunden da bin und eine Stunde mit einem Hund spazieren gehe, dann schaffe ich nur zwei“, sagt Wirth. „Dann gehe ich lieber 20 Minuten und ermögliche sechs Hunden den Spaziergang.“ Bis März hatte die Rostockerin jedoch einen Liebling: Schäferhund Aaron. „Das war meiner, für den bin ich oft hergekommen.“ Sie strahlt und blickt auf ihr Handy. „Im März hat er endlich ein Zuhause gefunden und jetzt freue ich mich über jedes Whatsapp-Bild, das mir sein Besitzer schickt.“

Die Erfolgsgeschichten sind es, die die 27-Jährige motivieren.„Ich habe das Gefühl, dass ich etwas mache, das was bringt“, sagt sie. „Wer sich länger mit einem Tier beschäftigt, sieht, dass ihm die Aufmerksamkeit gut tut.“ Zum Wohlbefinden der Tiere soll neben der Beschäftigung durch die Ehrenamtler eine Heizung beitragen. Dafür sammelt die OZ-Weihnachtsaktion „Helfen bringt Freude“ Geld – 17 000 Euro sind bisher zusammengekommen. „Eine Heizung ist ein kleiner Wunsch, mit dem man viel erreichen kann, was die Lebensqualität betrifft“, ist Wollschläger sicher. „Dieses Zuhause-Gefühl ist schön.“ Sie betont, dass das Tierheim dringend auf Unterstützung angewiesen ist. „Es ist auch die Auffangstation für das, was in unserer Gesellschaft schiefläuft. Es muss viel leisten, aber bekommt nicht das Geld, um das optimal bieten zu können.“ Wer nicht mit den Hunden spazieren möchte, kann sich auch um die anderen Tiere in Schlage kümmern. Unter anderem werden auch Katzenstreichler gesucht. „Streicheleinheiten sind wichtig“, weiß die Auszubildende Nicole Kutschera. Die 26-Jährige hält Kater Muckel im Arm. „Für Katzen, die vorher keine Sozialkontakte hatten, ist das schön.“ So sei es möglich, dass scheue oder aggressive Katzen durch die Nähe verschmust werden.

„Das ist auch wichtig für die Vermittlung“, weiß die Vorsitzende Angela Streubel. „Oft kommen scheue und verängstigte Katzen ins Tierheim. Diese haben dann kaum eine Chance, vermittelt zu werden.“ Das Tierheim biete Möglichkeiten, sich einzubringen und vielfältig zu engagieren. „Die Fähigkeit, zu sehen, wo Hilfe gebraucht wird, ist wichtig“, betont Marisa Wirth. Weitere Arbeitsfelder seien die Unterstützung von Festen, die Öffentlichkeitsarbeit oder als Pflegestelle vorübergehend Tiere aufnehmen.

Quelle: Ostseezeitung